Führungsnachfolge im Familienunternehmen: Modelle, Herausforderungen und Praxistipps

by | Nov 27, 2023 | Blog | 0 comments

Die Nachfolge in Familienunternehmen ist eine komplexe Angelegenheit. Nicht nur stellt sich die Frage, wer das Lebenswerk des Übergebers operativ fortführt, sondern ebenso wer die Inhaberschaft des Familienunternehmens übertragen werden soll.

Zudem wächst die Inhaberfamilie von Generation zu Generation in Anzahl ihrer Mitglieder, so dass ebenfalls für einen Zusammenhalt der Familie gesorgt werden muss, um identifiziert und gemeinsam dem Unternehmen für gute Entscheidungen zur Verfügung zu stehen. Mit dem Wegfall des Patriarchats entsteht nicht selten ein Vakuum, das es ebenso wie die Führungs- und Eigentumsnachfolge zu füllen gilt. Denn ohne den Zusammenhalt der Inhaberfamilie wird eine Unternehmensnachfolge nachhaltig nicht gelingen.

Die Unternehmensnachfolge geht also weit über die operativen Aspekte der Führungsnachfolge hinaus. In diesem Blogbeitrag werfen wir zunächst einen Blick auf die unterschiedlichen Nachfolgeebenen und die Gestaltungsmöglichkeiten der Führungsnachfolge.

Sie erfahren in diesem Blogbeitrag

1. Die Ebenen der Unternehmensnachfolge: Eigentum, Führung, Familie

 

In der Welt der Familienunternehmen wird die Frage der Unternehmensnachfolge zunehmend zu einem zentralen Thema. Häufig konzentriert sich der Fokus dabei vorwiegend auf die Führungsnachfolge – wer wird das Steuer des Unternehmens übernehmen, die Vision gestalten und die strategischen Entscheidungen treffen? Doch in der Tiefe dieser Auseinandersetzung verbirgt sich eine faszinierende Komplexität, die weit über die operative Leitung hinausreicht.

Die Führungsnachfolge ist zweifellos von höchster Bedeutung, da sie den reibungslosen Fortbestand und die kontinuierliche Weiterentwicklung des Unternehmens sicherstellen soll. Allerdings wird oft übersehen, dass sie nur eine von mehreren Dimensionen der Nachfolge ist. Um das Erbe eines Familienunternehmens nachhaltig zu gestalten, ist es unerlässlich, den Blick zu weiten und auch die Eigentums- und Familiennachfolge in den Fokus zu rücken.

Denn Inhaberfamilien können unterschiedliche Funktionen einnehmen, die weit über die des geschäftsführenden Gesellschafters hinausgehen. Diese ergeben sich aus den Schnittmengen von Familie, Eigentum und Unternehmen:

  1. Gesellschafter
  2. Geschäftsführer
  3. Beirat oder Aufsichtsrat
  4. Verwaltungsrat
  5. Gesellschafterausschuss oder Familienrat
  6. Familienmanager
  7. Nachgelagerte Mitarbeit im Unternehmen
  8. Berater

In einem ersten Schritt ist es daher wichtig, sich den unterschiedlichen Ebenen der Unternehmensnachfolge und die Haltung der Inhaberfamilie zu deren Ausübung durch die Familienmitglieder bewusst zu werden. Dieser wichtige Schritt bildet die Basis der inhaberstrategischen Ausrichtung, die nicht selten auch in Familienverfassungen festgehalten wird.

2. DAS SELBSTVERSTÄNDIS DER UNTERNEHMERFAMILIE ZUR FÜHRUNG

 

Das Wittener Institut für Familienunternehmen spricht bei dieser grundsätzlichen Denklogik bzgl. des Selbstverständnis der Unternehmerfamilie von unterschiedlichen Mentalen Modellen, die bei ihnen unterbewusst vorliegen und durch die ihr Handeln geprägt ist. Hierbei unterscheiden wir die

  1. Patriarchale Logik
  2. Die Logik der operativ tätigen Eigentümerfamilie
  3. Die Logik der aktiven Inhaberschaft
  4. Die Logik der Investoren-Familie

Je nach Ausprägung des mentalen Modells beeinflusst diese die Gestaltung der Unternehmensnachfolge. Denn während eine patriarchisch geprägte Grundlogik die Thronfolgerlösung wahrscheinlich eher als Nachfolge-Modell vorsieht, liegt bei einer aktiven Inhaberfamilie der Gestaltungsrahmen der Unternehmensnachfolge mit Einbezug von Fremdmanagern und deren Kontrolle durch die Familie.

Diese Klärung zum frühen Zeitpunkt der Unternehmensnachfolge setzt die Weichen für die weitere Ausgestaltung und damit das nachhaltige Gelingen der Unternehmensnachfolge. Denn nur wenn klar ist, welche Rollen (und damit einhergehende Rechte und Pflichten) an die Familie zu ‚vergeben‘ sind und welche auch bewusst nicht, sorgt dies für Klarheit und Sicherheit und somit weniger Konfliktpotenzial.

Eine umfassende Planung und Gestaltung der Unternehmensnachfolge erfordert daher einen ganzheitlichen Ansatz (siehe auch mein Angebot der Nachfolgeberatung), der über die rein operativen Aspekte der Führungsnachfolge hinausgeht. Diese Erkenntnis bildet den Ausgangspunkt für unsere Betrachtung der vielschichtigen Herausforderungen und Schlüsselfragen, die sich im Kontext der Unternehmensnachfolge stellen.

 

3. DIE FÜHRUNGSNACHFOLGE IN DER UNTERNEHMENSNACHFOLGE

 

Während der Unternehmensnachfolge kommt es zu einer Neuordnung von Führung, Eigentum und Familie. Zwar gibt es dazu beobachtete ‚typische‘ Nachfolge-Modelle, doch deren Mischformen und Kombinationen sind so mannigfaltig wie die Anzahl und Individualität der Familienunternehmen, die sich im Nachfolgeprozess befinden. Am Ende obliegt es der Inhaberfamilie das für sie adäquateste Modell zu finden und die gestalterischen Rahmenbedingungen dabei für sich und ihre individuelle Situation zu nutzen.

Die hier vorgestellten Modelle beziehen sich auf die innerfamiliäre Unternehmensnachfolge und sind ein Auszug der zu beobachtenden Modelle. Da eine ausführliche Diskussion an dieser Stelle nicht möglich ist, sind die von mir meist beobachteten Modelle hier in Reinform kurz skizziert, um einen ersten Überblick zu erhalten, welche möglichen Modelle in der Unternehmensnachfolge diskutiert und abgewogen werden können.

Einzelspitze / Alleininhaber-Einzelspitze

In diesem Modell leitet ein Gesellschafter die Unternehmung im Alleingang und hält im Zweifel auch 100% der Anteile. Es kann weitere Gesellschafter geben, die jedoch nicht operativ im Unternehmen engagiert sind.

Der Vorteil dieses Modells liegt eindeutig in der Klarheit der Verantwortlichkeiten und den damit verbundenen Governance Strukturen. Dadurch verringert es auf den ersten Blick erst einmal das Konfliktpotenzial im Gesellschafterkreis und bedient jeden Gesellschafter mit seinen Interessen und Bedürfnissen.

Heikel wird es, wenn der alleinige geschäftsführende Gesellschafter nicht die Leistung erbringt, die von ihm erwartet wird oder andere Mitgesellschafter zu einem späteren Zeitpunkt das Bestreben zum Eintritt in die operative Mitarbeit signalisieren.

Handelt es sich andererseits um einen Thronfolger, also einen alleinigen Inhaber, so müssen in der Unternehmensnachfolge Pflichtanteilsverzichte ausgesprochen werden oder entsprechende Pflichtanteilsauszahlungen bestritten werden, die nicht nur die Familie sondern auch die Liquidität des Unternehmens ins Wanken bringen können.

Familien-Doppelspitze bzw. Familien Mehrfachspitze

Gerade in den anstehenden Unternehmensnachfolgen ist die Geschwister-Führungsspitze ein gern gesehenes Modell. Meist kommend von einem patriarchalen Führungsmodell birgt dieses Modell große Veränderungsnotwendigkeiten für das Unternehmen bzgl. Kultur, Prozesse und Entscheidungsfindungsprozessen.

In diesem Modell führen zwei oder mehr Familiengesellschafter die Unternehmung meist zu gleichen Anteilen. Damit teilen sie auch alle Rechte und Pflichten sowohl auf der eigentumsebene als auch auf der Führungsebene.

Entscheidend ist hier, eine gute neutrale Steuerrungsinstanz zu etablieren, um dem Risiko der betrieblichen Blindheit und des ‚Im-eigenen-Saft-schwimmens‘ entgegenzuwirken. Ein Beirat, ausgestattet mit entsprechenden Rechten ist m.E. daher ein absolut notwendiges Mittel, um Konflikte zwischen den gleichberechtigten Gesellschaftern entgegenzuwirken. Denn das Risiko, dass Entscheidungen aufgeschoben oder blockiert werden ist immens und kann im schlimmsten Fall dem Unternehmen das Überleben kosten.

Andererseits verbergen sich hinter der Führungsspitze auch etliche Vorteile, die nicht zuletzt in dem Inhaberbonus verankert sind: Denn das gemeinsame Aufwachsen, das Teilen desselben Wertekanons durch die Familie und die Förderung der individuellen Persönlichkeiten und Kompetenzen spiegelt sich meist in einer idealen Ergänzung, die so durch einen Fremdmanager nicht zu finden ist. Damit einher geht (bei Einstimmigkeit) eine höhere Glaubwürdigkeit gegenüber Dritten und so eine tragfähige unternehmerische Zukunftsperspektive. Aber Vorsicht: Einstimmigkeit ggü. Dritten ist die absolute Prämisse. Besteht diese zwischen den geschäftsführenden Gesellschaftern nicht, können diese Vorteile schnell zu Geschwisterrivalitäten führen und zu deren heißesten Konfliktherden führen.

Erweiterte Familienspitze

Oft werden zu einer familiären Doppelspitze ein weiterer Fremdgeschäftsführer hinzugezogen, um die Entscheidungen nicht nur auf familiäre Schultern zu setzen. Dabei ist der Fremdgeschäftsführer selten mit Anteilen beteiligt, sondern die Familie behält weiterhin die dominante Inhaberstellung und ist sozusagen dem Fremdgeschäftsführer ‚erhaben‘.

Die Nachteile liegen bei dieser Konstellation auf der Hand, kann sich der Fremdgeschäftsführer der familiären Doppelspitze im Konfliktfall nur beugen, da das Abhängigkeitsverhältnis deutlich ist. Andererseits bringt der Fremdgeschäftsführer den Blick von außen mit und kann so wertvolle Impulse dem Unternehmen geben. Insbesondere wenn das Geschäftsmodell neu ausgerichtet wird oder diversifiziert wird ist dies meist ohne die wichtige Kompetenz von außen mit wenig Erfolgsaussicht geprägt.

Fremdführung

Unternehmen mit zersplitterten Anteilsstrukturen sprechen sich nicht selten gegen die familiäre Mitarbeit im operativen Unternehmen aus. So gibt es zahlreiche tradierte Familienunternehmen, die auf die Entwicklung des Familienunternehmens durch Fremdmanagement setzten.

Der Vorteil liegt in der Haltung, dass aus dem Arbeitsmarkt eher der fähigste Manager für die jeweilige Aufgabe hervorgeht und dabei auch jeweils für den entsprechenden Zeithorizont für das Unternehmen rekrutiert wird, je nach Aufgabenstellung. Wobei gleichzeitig berücksichtigt werden muss, dass es keinesfalls zu einem flatterhaften Wechsel der Fremdmanager kommen darf, da häufige Wechsel in der Geschäftsführung meist dem Unternehmen und seinem Image schaden.

Andererseits braucht diese Fremdführung die absolute Rückendeckung der Familie und einen klaren Auftrag, um die Interessen der Inhaberfamilie umzusetzen. Gibt es diesen nicht, besteht die Gefahr, dass die Eigeninteressen des familienfremden Managers die der Unternehmerfamilie übertreffen. Auch hier gilt: Eine klare Governance sowie Klarheit über den Familienauftrag ist die Basis für eine erfolgreiche Zusammenarbeit.

 

4. FAMILIENGEFÜHRT ODER FAMILIENKONTROLLIERT

 

Grundsätzlich enthält jedes Führungsmodell Vor- und Nachteile und muss gründlich während der Unternehmensnachfolge in der Inhaberfamilie diskutiert werden. Jedes Führungsmodell zieht dabei eine unterschiedliche Ausgestaltung der Governance und Gremienarbeit mit sich. Entscheidend dabei ist, wie die Familie zu den Vor- und Nachteilen der Familienführung bzw. der Familienkontrolle steht.

Entscheidet sich dabei eine Familie sowohl für eine Familienführung im operativen als auch eine Kontrolle auf Beirats- und Gesellschafterebenen durch die Familie, so kann das wiederum zu erheblichen Konflikten führen. Denn Familien kontrollieren ihre eigene Familie nur selten nach dem Leistungsprinzip, ohne dabei ‚alte Rechnungen‘ zu begleichen.

5. PRAXISTIPP: DER START IN DIE FAMILIÄRE DISKUSSION

Starten Sie die Diskussion um die Führungsmodelle mit folgenden Fragestellungen:

  • Sind Nachfolger grundsätzliche an der Führung des Unternehmens interessiert?
  • Weisen Sie auch die entsprechenden Fähigkeiten auf?
  • Inwiefern können sich mehrere Kandidaten ergänzen und wie passen ihre Persönlichkeitsstrukturen zusammen?
  • Soll eine Nachfolge in die Inhaberschaft an die Nachfolge in die Führung gekoppelt sein?

Und wenn Sie Unterstützung benötigen, sprechen Sie mich gerne an. Hier kommen Sie zu meinen Kontaktdaten.

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