Erfolgreiche Gesellschafter

von | Okt 6, 2020 | Blog | 0 Kommentare

Nachfolger eines Familien­unternehmens zu sein ist ein großes Geschenk und gleichzeitig eine große Herausforderung – tragen wir doch die Verantwortung für zahlreiche Arbeitnehmer. Es steht viel auf dem Spiel.

Mit diesem Vermögen lernen umzugehen und seinen Beitrag für dessen Weiterentwicklung zu leisten, verlangt gewisse Kompetenzen und Kenntnisse der Gesellschafter, die m.E. keineswegs qua Geburt gegeben sind. Immerhin teilen über 50% der Familienunternehmer diese Sichtweise, wie eine Studie von PwC in Zusammenarbeit mit dem WIFU belegt: Die Etablierung einer systematischen Gesellschafter­kompetenz­entwicklung hat in den letzten 3 Jahren an Bedeutung gewonnen. Grund dafür sei, so 49% der Befragten, die bevorstehende Generationsübergabe.

  • Aber wie und wann greift man aktiv und systematisch in den Lebensweg der Nachfolge ein, um diese Kompetenzen zu vermitteln?
  • Und wie können wir sicherstellen, dass trotz unseres Interesses, das Unternehmen in die nächste Generation zu übergeben, dies die eigenen Interessen und Persönlichkeitsentwicklungen der NextGen nicht konterkariert?
  • Steht Persönlichkeits­entwicklung und freie Entfaltung unserer Kinder im Gegensatz zu einer systematischen Heranführung an das Familienunternehmen?
  • Und welche Kenntnisse und Kompetenzen gilt es überhaupt zu vermitteln?

Für diesen Beitrag habe ich wissenschaftliche Studien und Fachliteratur recherchiert, meine eigene Erfahrung zu diesem Themenkreis reflektiert und über das Thema mit anderen Familien­unternehmern diskutiert. So konnte ich am Ende des Artikels eine kurze Checkliste für Sie zusammenstellen, mit der Sie selbst reflektieren können, wo Sie stehen, ob Sie dieses Thema in Ihrem Gesellschafter­kreis vorantreiben wollen, und wie Sie es systematisch verankern.

 

  • Was sind überhaupt Rechte und Pflichten von Gesellschaftern (operativ und nicht operativ tätigen)?

  • Kompetenzen und Kenntnisse von Gesellschaftern

  • Zielgruppen der Gesellschafterkompetenzentwicklung

  • Systematische vs. opportunistische Entwicklung von Gesellschafterkompetenzen

  • Was nehme ich mit aus meiner Recherche?

 

Was sind überhaupt Rechte und Pflichten von Gesellschaftern?

 

In Artikel14 des Grundgesetzes heißt es: ‚Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.‘  Qua Gesetz wird uns Inhabern und Inhabern in spe eine ganz besondere Rolle im Dienste der Allgemeinheit zugeschrieben, der wir in der Ausübung gerecht werden müssen. Eigentum ist also keine Einbahnstraße. Profit ohne Investition auch hier nicht möglich.

Dabei bündeln die Gesellschafter ihre Rechte und Interessen in der Gesellschafterversammlung. Sie ist, neben dem Gesellschaftsvertrag, zentrales Element zum Ausdruck des Gesellschafterwillens. So ist sichergestellt, dass die finale Entscheidungsbefugnis bei den Gesellschaftern liegt und diese nicht abhängig von Dritten sind.

Dabei ist jedoch wichtig zu unterscheiden, dass die Gesellschafterversammlung in ihrer Gesamtheit in die Firmenpolitik eingreifen kann (sie bestellt den Geschäftsführer und erteilt ihm Weisungen), dem einzelnen Gesellschafter ist dies aber unmittelbar allein nicht möglich.

Seine individuellen Rechte und Pflichten lassen sich wie folgt darstellen:

  1. Vermögensrechte: Gewinnanspruch in Form von Dividende, Anspruch auf Jahresüberschuss
  2. Verwaltungsrechte: Stimmrecht
  3. Informationsrecht: Einsicht in die Bücher und den Schriftverkehr sowie Auskunftsrecht über die Angelegenheiten des Unternehmens
  4. Sonderrechte, die im Gesellschaftsvertrag geregelt werden, um z.B. Minderheitsgesellschafter zu schützen
  5. Pflichten: Loyalität gegenüber dem Unternehmen, Förderung der gemeinsam vereinbarten Ziele und Unternehmenszweck sowie Abwendung jeglicher Schäden von dem Unternehmen

Die Ausübung mancher individueller Rechte und Pflichten birgt jedoch viel Konfliktpotenzial, insbesondere der Anspruch auf Gewinn. Zwar wird die Ausschüttung erst nach gemeinsamer Mehrheitsbeschlussfassung initiiert, jedoch kann dies bei Uneinigkeit zur Blockade jeglicher Beschlussfassung führen.

Darum ist es von essentieller Bedeutung, dass die Gesellschafter im Gesellschaftsvertrag Einigung über diese und weitere Aspekte erzielen:

  • Ausschüttungspolitik & Gewinnverwendung
  • Mehrheiten der jeweiligen Entscheidungsbefugnisse
  • Die in der Gesellschafterversammlung zu entscheidenden Themen (‚zustimmungspflichtige Geschäftsführungsmaßnahmen‘)
  • Ehe- und Pflichtteilsverzichtsvertrag
  • Übertragung und Veräußerbarkeit der Beteiligung
  • Testamentsvollstreckung
  • Kündigung der Beteiligung
  • Ausschluss aus der Gesellschaft
  • Abfindung ausgeschiedener Gesellschafter
  • Vertretung auf der Gesellschafterversammlung

 

Kompetenzen und Kenntnisse von Gesellschaftern

 

Um den Rechten und Pflichten nachkommen zu können (insbesondere auch denen in der Gesellschafterversammlung), liegt es nahe, dass der einzelne Gesellschafter über Kenntnisse verfügt, die ihm dies ermöglichen.

Doch über die ‚richtigen‘ Kenntnisse und Kompetenzen zu entscheiden, ist ein höchst individuelles Vorhaben und abhängig von vielen Faktoren: Unternehmensgröße, Branche, Alter des Unternehmens sowie die Anzahl der Gesellschafter sind sicherlich nur einige nennenswerte Aspekte, die bei der Vermittlung entsprechender Kenntnisse von Bedeutung sind.

Dennoch gibt es einen großen gemeinsamen, meist rationalen Nenner, der unumstößlich ist – aber reicht dieser aus?

 

Unternehmensführung und Management Kompetenzen

Von geschäftsführenden Gesellschaftern (sowie von allen Geschäftsführern übrigens auch) wird vorausgesetzt, dass sie souverän die Bilanz des Unternehmens lesen und das Controlling beherrschen, über notwendige Finanzierung und Investitionen entscheiden können und die Führung sowie die Strategieentwicklung des Unternehmens beherrschen. Am besten haben Sie sich diese bereits in mehreren Jahren Praxiserfahrung angeeignet und können dies anhand eines nachhaltigen Track-Records darlegen.

Weitaus weniger Kenntnis über diese eher betriebswirtschaftlichen Themen wird laut der Studie von PwC von den nicht operativ tätigen Gesellschaftern verlangt. Dies zeigt, dass die Fähigkeit, unternehmensübergreifende Entscheidungen treffen zu können, immer noch den operativ tätigen Gesellschaftern zugeschrieben wird.

Aber wie stellt sich die Lage dar, wenn Fremdmanager das Unternehmen leiten und deren Leistung entsprechend beurteilt werden muss?

Aus meiner persönlichen Erfahrung als nicht operativ tätige Gesellschafterin gehören betriebswirtschaftliche Kenntnisse in den Grundstock jedes Gesellschafters, ohne den er nicht effektiv seinen Einfluss auf das Unternehmen ausüben kann. Denn die Bewertung von Fremdmanagern, die Entscheidung über die Ausschüttungspolitik sowie das Handeln im Sinne der Weiterentwicklung des familiären Vermögens vermag betriebswirtschaftliche Zusammenhänge zu erkennen und zu nutzen.

Kenntnisse über das Familienunternehmen   

Von den Inhaberfamilien wird ein großes Augenmerk auf die frühe Vermittlung der Familienhistorie gelegt sowie die frühe Heranführung an die Branche und die Produkte oder Dienstleistungen des Unternehmens. Dies überrascht nicht, denn in jeder Familie gehört die Familienhistorie wie z.B. der Stammbaum zur DNA der Familie. Bei Unternehmerfamilien kommt der unternehmenshistorische Aspekt lediglich hinzu. Denn ein Unternehmen wurde im Lebensweg der Vorfahren gegründet und prägte somit unweigerlich die weitere Familiengeschichte. Die Zukunft von Familienunternehmen basiert just auf diesen Familienwerten und -traditionen und ist demnach unweigerlich Bindeglied von Unternehmen und Inhaberfamilien. Um daher die Psychodynamiken von Familie und Unternehmen zu verstehen und das Unternehmen entsprechend weiterentwickeln zu können, ist die Kenntnis über die Historie des Unternehmens essentiell.

Psychologische Kompetenzen 

Durch die besondere Verknüpfung von Familie und Unternehmen kommt die Kenntnis über die Wechselwirkungen dieser zwei Systeme erstmal jedem Gesellschafter zugute. Das reine Bewusstsein über diese Andersartigkeit und besondere Herausforderung von Familienunternehmen hilft bereits, die Dynamiken und Konfliktherde besser zu verstehen, zu deuten und damit umzugehen.

Kenntnis in diesen Kompetenzen zu erlangen stellt sich für mich als besondere Herausforderung dar. Sind sogenannte Soft Skills (wie z.B. Kommunikationsfähigkeit, Konfliktfähigkeit, Teamgeist, Moderationsfähigkeit und Reflexionsfähigkeit) doch eher Themen, die entweder gezielt geschult oder aus persönlichem Interesse vertieft werden – oder eben einfach ‚so sind, wie sie sind’.

Fällt das Interesse der präzisen Schulung jedoch durch die Inhaberfamilien weg und fehlen die Impulse, das persönliche Interesse zu wecken, so surfen viele von uns fern jeder Selbstreflexion mit dem Motto ‚Ich bin halt so, wie ich bin‘ durch den Alltag, mit der Erwartungshaltung, dass andere Mitgesellschaftern einen Weg im Umgang mit mir finden müssen. Dass dabei Konflikte vorprogrammiert sind, mag keinen erstaunen.

Ergänzt man dabei den Aspekt der wachsenden Gesellschafterkreise und die damit einhergehende Anteilszersplitterung und Entfremdung, die bei langlebigen Familienunternehmen die größte Herausforderung darstellen, ist leicht vorstellbar, dass ein Defizit an psychologischen Kenntnissen schnell zu Handlungsunfähigkeit des Gesellschafterkreises und somit zur Existenzbedrohung des Unternehmens führt.

Leider sehen nur ca. 30 % der Familienunternehmer einen Bedarf, diese Soft Skills systematisch aufzubauen. Ein Feld mit großem Potenzial, was sicherlich im Zuge der systematischen Verankerung von Gesellschafterkompetenzentwicklung noch weiter in den Fokus rücken wird.

 

Zielgruppen der Gesellschafter­kompetenz­entwicklung

Wer soll eigentlich welche Kompetenz vermittelt bekommen?

Wann ist der richtige Zeitpunkt, um mit der gezielten Entwicklung zu beginnen?

Sollen weitere Familienmitglieder gefördert werden?

Grundsätzlich werden auch diese Fragen divers und höchst individuell beantwortet und in der Praxis diskutiert. Auffällig jedoch ist, dass die meisten Ressourcen laut der durchgeführten Studie von PwC an die bestehende Generation gehen und nur ein Bruchteil dessen exklusiv in die NextGen investiert wird. Dies scheint mir aus meiner persönlichen Erfahrung logisch, da die intensive, systematische Befassung mit dem Thema ‚Unternehmensnachfolge‘ und insbesondere dem Punkt ‚Kompetenzentwicklung für Gesellschafter‘ relativ neue Aspekte sind, mit denen sich Gründer bzw. die aktuelle Generation beschäftigen. Haben Gründer z.B. nicht genug Vorsorge für die zeitige Unternehmens­nachfolge getroffen, fehlen der aktuellen Generation oft basale Kenntnisse, die es nachzuholengilt gilt, um das Unternehmen überhaupt erfolgreich für die nächste Generation zu erhalten. Dass diese Generation erstmal ihr eigenes Überleben in den Fokus stellt, wundert mich nicht.

Der Wunsch bei Unternehmern jedoch besteht (insbesondere, wenn mehrere Generationen in Kontrollgremien platziert sind) darin, Synergien zu schaffen und beide Generationen in die Kompetenzentwicklung mit einzubeziehen. So plädieren 85 % der befragten Familienunternehmer für die Etablierung transgenerationaler Programme, während lediglich 8 % der Meinung sind, dass sich ähnliche Programme lediglich an die aktuelle (operative) Generation richten sollen.

Bleibt zu erwähnen, dass die Zielgruppe der Kompetenz­entwicklung sich maximal auf die Familien­gesellschafter beschränkt. Also all diejenigen in der Familie, die auch Anteile an dem Unternehmen halten. Lediglich 18 % der Familien­unternehmer schauen mit Weitblick auf die Sinnhaftigkeit der Vermittlung bestimmter Kenntnisse über dessen Rand hinaus und integrieren Ehe- und Lebenspartner. Spielen diese doch eine wesentliche Rolle in der Prägung und Vermittlung von Fähigkeiten für die nächste Generation. Denn die Vermittlung jeglicher hier erwähnter Kenntnisse in Hinblick auf die Übernahme von Verantwortung des gemeinsamen Vermögens muss m. E. Teil des natürlichen Lebensweges der NextGen sein.

 

Systematische vs. opportunistische Entwicklung von Gesellschafter­kompetenzen

 

Wie bereits eingangs erwähnt, ist der systematische Aufbau von Gesellschafter­kompetenzen ein junges Thema, das Unternehmer­familien intensiver erst seit ca. 3 Jahren beschäftigt. Taucht man tiefer in die Verankerung und Herangehensweise der Unternehmer ein, so habe ich festgestellt, dass das Thema keineswegs so ‚systematisch‘ verankert ist, wie erst gedacht.

Die am weitesten verbreitete Verankerung liegt innerhalb eines Family-Governance-Prozesses oder innerhalb einer Familienstrategie, in der das Thema detaillierter definiert wird. Schaut man jedoch in die entsprechende Verortung der Verantwortlichkeit, so bleibt die Kompetenzvermittlung immernoch reine Familiensache. Familiengremien beschäftigen sich zwar auch mit dem Thema, jedoch deutlich weniger als die Familie an sich.

 

Was nehme ich mit aus meiner Recherche?

 

Als Fazit entnehme ich den Daten, Gesprächen und der Literatur, dass das Bewusstsein für die systematische Gesellschafter­kompetenz­entwicklung sicherlich an Brisanz gewonnen hat, die Unternehmerfamilien aber noch einen weiten Weg in Organisation, Planung und Verbindlichkeit zu gehen haben. Der Wunsch nach mehr Struktur und Weitsicht besteht, so dass das Thema an sich in der Erstellung der Family Governance oder der Nachfolgeplanung nicht fehlen darf.

Darüber hinaus stellen sich viele Unternehmer die Frage, ab wann und mit welchen Maßnahmen, ihre Kinder an die Thematik heranführen sollen. Mein Tipp dabei: Reden hilft – und ein bisschen schubsen hat auch noch niemandem geschadet.

Demnach empfehle ich, das Thema im Gesellschafterkreis unbedingt aufzugreifen und bestenfalls mit einem Moderator offen zu diskutieren, einen Anpack zu definieren und systematisch in der Family Governance zu verankern.

Dabei ist es wichtig, alle Gesellschafter mit einzubeziehen. Idealerweise empfiehlt sich dabei  der Zeitpunkt der inhaber­strategischen Ausarbeitungen wie ein Family-Governance-Prozess oder die Nachfolgeplanung.

Um einen ersten Aufschlagspunkt zu haben, habe ich für Sie eine Checkliste zusammengestellt, mit der Sie die Diskussion in Ihrem Gesellschafterkreis starten können.

Ich wünsche Ihnen viel Erfolg dabei!

Ihre Susanne Klier

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