Die Aussetzung der Antragspflicht bei Überschuldung im Zuge der COVID-19-Pandemie wurde von der Bundesregierung nun bis zum 31.12.2020 verlängert.
Viel diskutiert unter Insolvenzexperten, zu denen ich keineswegs gehöre, ist, ob das heranzüchten von solchen überschuldeten Unternehmen, auch gern ‚Zombieunternehmen‘ genannt, langfristig sinnvoll ist und die Wirtschaft vor weiteren Pleitewellen verschont. Und dabei bleibt noch ungewiss, wie es im neuen Jahr weiter geht.
Meines Erachtens verzögern wir die aufkommende Welle der Pleiten und verlagern das Problem im Zweifel auf die nachfolgende Generation. Aber die mittelständische Landschaft wird sich über kurz oder lang verändern. Denn, dort wo Direkthilfen und kfw Kredite die letzten Monate überbrückt haben, bleibt in vielen mittelständischen Unternehmen die Erholung des Umsatzes aus. Und ohne dies ist auf lange Sicht kein Unternehmen zu retten.
Manche wagen mit unkonventionellen Wegen den Schritt in die Öffentlichkeit wie die geschäftsführende Gesellschafterin der R. & M. Wegener GmbH, Theresa Wegeners , die eine Crowd-Funding-Kampagne initiierte; andere setzten auf die langjährigen Beziehungen zu Lieferanten und anderen Vertragspartnern und andere wiederum entscheiden sich proaktiv zur Sanierung, um das Unternehmen für die Zukunft mit Corona ertragsfähig zu halten.
Alternativen, die eins gemein haben: das Familienunternehmen, das wie bei R.& M. Wegener über Generationen hinweg aufgebaut wurde, vor dem Aus zu bewahren.
Während alle Ressourcen auf das Unternehmen gelenkt werden, frage ich mich jedoch, was passiert in Zeiten der Krise mit den Unternehmerfamilien selbst?
- Gibt es Dissens zwischen den Generationen über krisen-adäquates Handeln?
- Tauchen alte Konflikte erneut an die Oberfläche und rütteln am Zusammenhalt der Familie? Oder stehen sie durch die Krise noch enger zusammen und schauen über Streitigkeiten hinweg?
- Wird eine Schuldfrage gestellt, die unmittelbar zu Mistrauen im Miteinander führt?
- Und wie geht jeder einzelne mit dem Existenzdruck des Familienunternehmens um?
Die Familie auf dem Prüfstand
Familienunternehmen unterscheiden sich im Vergleich zu Publikumsgesellschaften in einem ganz wesentlichen Aspekt: dem Familienfaktor. Dieser kann insbesondere zu Krisenzeiten Chance und Fluch zur selben Zeit sein. Denn Familienunternehmen prägt der enge Zusammenhalt, die Tradition, das langfristige Denken und das unübertroffene Vertrauen einer Familie. Doch diese Stärken können schnell zu ihren größten Schwächen werden und spiegeln sich in Intrigen, Zerstörung und Stammesdenken wider. Ringen Unternehmerfamilien schon zu krisenfreier Zeit mit diesen Aspekten wirkt die Krise wie ein Brennglas.
Alte Verletzungen, Mistrauen und fehlende Wertschätzung haben auf einmal das Potenzial das eigene Unternehmen in den Untergang zu stürzen. Denn wo Dissens und Mistrauen herrscht und die Entscheidungsprozesse nicht klar geregelt sind, kann eine andauernde Krise die tickende Zeitbombe für den kompletten Verlust von Vermögen und Unternehmen sein. Was über Generationen aufgebaut wurde, droht in kürzester Zeit zunichte gemacht werden.
Krisenmanagement: für Unternehmen und Familie
Die internationale Studie ‚Crossing the Crisis‘ der ifera (International Family Enterprise Research Academy) gibt Einblick in den Umgang mit der Krise von mehr als 1.000 Familienunternehmen weltweit und gibt Impulse für ein adäquates Krisenmanagement nicht nur für Unternehmen, sondern insbesondere für die Familie.
Denn legen viele Unternehmerfamilie Ressourcen und Fokus auf den Erhalt des Unternehmens in zerrüttenden Zeiten, so vergessen sie leider entsprechendes für den Erhalt der Familienzusammengehörigkeit zu tun.
Restrukturierungs- oder Sanierungs-Berater sind häufig in Krisenzeiten im Unternehmen anzutreffen, wobei die Familie aus eigener Intuition heraus und ohne klare Rollenverteilung versucht sich selbst zu führen und zu managen. Jegliche Art des unternehmerischen Handels scheint im Familienkontext ausgeblendet zu sein.
Klingt vertraut?
Sie sind damit nicht allein. Denn der ifera Studie zufolge bewerten Familienunternehmer auf einer Skala von 1-100 die Crisis-Readiness ihrer Familie lediglich mit einem Durchschnittswert von 36% und die ihrer Firma mit immerhin 48%.
Häufig kommen Krisen unerwartet und insbesondere die Familien sind nicht gut vorbereitet.
Was sind also best-practices, die sich sowohl in der Breite der Studie als auch in meinem eigenen Erleben in Krisenzeiten bewährt haben und die Familie in den unsicheren Zeiten an einem Strang ziehen lassen?
Der 6-Punkte-Krisen-Navigator für Unternehmerfamilien
- Reden hilft
In einem sind wir Familienunternehmer uns einig: ohne Kommunikation geht gar nichts. Und das sowohl interpersonell und intrapersonell. Denn auch hier wird sich viel zu selten fokussiert um einen strukturieren Informationsfluss in Richtung der Gesellschafter gekümmert. Fühlt sich hier einer am Tisch jedoch nicht gut informiert, wertgeschätzt oder mit seinen Wünschen nicht respektiert, droht schnell die Eskalation alter Muster.
- Stresstest Inhaberfamilie
Ziel der Inhaberfamilie muss sein, eine Einheit zu bilden und unterschwellige Streitigkeiten jeglicher Art absolut zu vermeiden. Gelingt dies nicht, gelingt auch nicht die Rettung des Familienunternehmens.
Darum sollte zu Beginn kurz innegehalten werden und reflektiert werden, wo die Inhaberfamilie steht, was ihre Schwachstellen sind und was unterbunden werden muss:
- Welche Kompetenzen der einzelnen MItglieder der Inhaberfamilie können in der Krise genutzt werden?
- Welche Entscheidungsprozesses sind etabliert, oder müssen ggf. noch etabliert werden?
- Gibt es externe Berater oder Coaches, die der Familie in Zeiten der Krise helfen können?
- Wie kann Information gebündelt, weitergetragen und übersetzt werden?
- Welche gemeinsamen Ziele hat sich die Familie gesetzt, die Orientierung liefern können?
- Welche weiteren Governance Strukturen wurden in der Vergangenheit etabliert, auf die sich unbedingt in Krisenzeiten berufen werden sollte?
- Welche persönlichen Konflikte wabern, die es unmittelbar zu unterbinden gilt?
Ein abgeschlossener Family Governance Prozess ist ein wertvolles Pfund, wenn die Krise plötzlich einschlägt. Denn in Zeiten von Corona sind vor allem die dort festgelegten Strukturen hinsichtlich Kommunikation, Entscheidungswege, dem vertrauensvollen Miteinander und dem Verhalten gefragt, anstatt in alte Muster oder auf alte Pfade zurück zu fallen sowie Dissens und Unentschlossenheit zu zeigen.
- Etablierung eines Krisenrats
Insbesondere in großen Gesellschafterkreisen ist es hilfreich, einen Krisenrat zu etablieren. Wir sind in unserem Unternehmen nur zu fünft im Gesellschafterkreis. Und dennoch fließt die Information manchmal lückenhaft und auch ich komme oft nicht hinterher mit meinen Fragen und meinem Wunsch nach mehr Involvement zu diesen Krisenzeiten. Um jedoch die Geschäftsführung vom täglichen Doing nicht abzulenken, das insbesondere entscheidend zu Beginn der Krise ist, haben wir ein regelmäßiges Treffen mit der Familie einberufen, in der alle Information und Bedürfnisse ausgetauscht werden. In einer großen Familie verläuft dies meist über Stellvertreter der einzelnen Familienstämme, die im Namen der Familie die Anliegen weitertragen und Antworten finden.
Nochmal: Es geht in der Krise oft um alles – die Existenz der gesamten Familie! Dass dies mit Ängsten, Unsicherheiten und auch persönlichem Hadern verbunden ist, ist nur menschlich. Aus meiner Erfahrung kann ich sagen, dass ein externer Blick auf die Situation und eine Moderation der unterschiedlichen Bedürfnisse und Ängste aller Beteiligten Balsam für die Seele eines jeden ist.
- Etablierung eines Krisenmanagers
Mit der Aufstellung eines Krisenrates ist es ebenso zieldienlich einen Krisenmanager aufzustellen, der als Schnittstelle zwischen Geschäftsführung und Familie agiert. Auch hier ist insbesondere bei großen Inhaberkreisen dazu zu raten, um effektiv und effizient zu handeln. Denn in der Krisenzeit müssen unbedingt schnelle Entscheidungen getroffen werden, die die Überwindung der Krise begünstigt.
- Involvement der Inhaberfamilie
Ein weiteres Pfund, das wir Familienunternehmer in der Hand halten ist der eigene Glaube an und die Identifizierung der Familie mit unserem Unternehmen. Kein noch so teuer eingekaufter Fremdmanager kann die Glaubwürdigkeit generationsübergreifenden Handelns so repräsentieren wie die eigene Familie. Nutzen Sie die Vielseitigkeit der Inhaberfamilie, um den Zusammenhalt und die Einigkeit der Familie in der Krise zu signalisieren.
Vielleicht haben Sie einen Menschenfänger unter sich, der die Sprache der Mitarbeiter besonders gut spricht, vielleicht auch jemanden der einen guten Draht zu bestehenden Lieferanten oder Vermietern hegt. Nutzen Sie diese Kompetenz strukturell, die dem Unternehmen zugutekommen kann.
- Hinzuziehen eines Familienberaters
Ich habe gelernt, dass man nicht alles selber machen kann. Für das Unternehmen tun wir unser bestmögliches und scheuen keine Kosten um kompetente Spezialisten für die Bewältigung der Krise einzusetzen. Aber immer noch glauben wir, dass wir die belastende Krisensituation in der Inhaberfamilie selbst managen können und sind nicht bereit, dafür in die Tasche zu greifen. Das ist ein Irrglaube und ich kann nur dafür plädieren auch in dieser Thematik Experten zu engagieren, die der Familie helfen, durch die turbulente Zeit zu navigieren.
Insbesondere wenn die Family Governance noch nicht ins Mark übergegangen ist oder vielleicht noch gar nicht existiert ist der Mehrwert eines Beraters in diesem Kontext von unglaublicher Bedeutung. Dieser kann mittels Einzel-Coachings und Familien-Moderation die emotionalen und damit die so entscheidenden Aspekte für die Gesundung des Unternehmens an die Oberfläche bringen und Lösungswege erarbeiten.
So oder so: Durch die Einzigartigkeit dieser Realkrise bleibt es abzuwarten, welche Auswirkungen das weitere Aussetzen der Antragspflicht mit sich bringt und was dies für die Familienunternehmen und Unternehmerfamilien bedeutet.
Ich wünsche allen Familienunternehmen und Unternehmerfamilie viel Erfolg und das nötige Quäntchen Glück, diese ver-rückten Zeiten so gut wie möglich zu überstehen.
Viel Erfolg,
Ihre Susanne Klier
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